Regal mit Sonnenschutz
kritische Inhaltsstoffe,  Wissen

Ich bin drauf reingefallen – doch wieder Hormone im Sonnenschutz

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Da liege ich am Fluss und freue mich. Endlich ist die Steuererklärung erledigt, und ich genieße meinen Feierabend im Halbschatten. Natürlich bin ich trotzdem gut eingecremt – reichlich, der UV-Schutz greift ja sonst nicht. Bei meinen Sonnencremes achte ich immer streng auf die Inhaltsstoffe. Sie sollen gut zur Haut und zur Umwelt sein und vor allem frei von hormonell wirksamen Inhaltsstoffen. Viele UV-Filter gehören zu diesen sogenannten endokrinen Disruptoren, die im Verdacht stehen oder bewiesenermaßen, u.a. wie weibliche Hormone agieren können. All meine Sonnencremes, die ich verwende, basieren auf mineralischen Sonnenschutz. Bis auf eine. Bei dieser einen Naturkosmetikmarke, habe ich bisher dem verwendeten chemischem Sonnenschutz vertraut. Denn bei dieser Marke kommt nur rein, was Oma auch gegessen hätte.

Inhaltsstoffe in meiner Naturkosmetik Sonnencreme- doch hormonell wirksam?

In meiner kurzweiligen Langeweile komme ich auf die Idee, die UV-Filter meines Sonnenfluids noch einmal zu überprüfen. Denn seit kurzem reagiert meine Haut an den Wangen auf den Sonnenschutz und ich frage mich, ob ein Inhaltsstoff oder ein Abbauprodukt eines UV-Filters dafür verantwortlich ist – oder vielleicht nur das Parfum, das unter UV-Einstrahlung eine allergische Reaktion auslöst.

„Ethylhexyl Salicylate“ steht hier als UVB-Filter. Meine erste Recherche ergibt, dass dieser Stoff in der EU nur bis zu 5 % in Kosmetik eingesetzt werden darf und angeblich nicht hormonell wirksam ist. Wer also keine Hormone in seiner Sonnencreme haben möchte, sei damit gut beraten. Doch die Website, auf der ich das finde, gibt keine genauen Quellen an. Also recherchiere ich weiter und frage mich dabei noch kurz, ob ich es wirklich so genau wissen will.

„Langanhaltend umwelttoxisch“ steht da. Na toll, aber gut, das hängt ja immer auch von der Dosis ab, denke ich mir. Ähnliche Warnungen stehen schließlich auch bei Tensiden für Shampoos. Bevor ich auf weiteren Websites mit unklaren Quellen lande, wechsle ich zur wissenschaftlichen Literatur.

UV-Schutz reichert sich in unserer Nahrungskette an

Der Wirkstoff Ethylhexylsalicat reichert sich im Gewebe an und führt bei Zebrafischen, einem Tiermodell in der Forschung, um den Einfluss von Umweltgiften zu verstehen, die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems und Störung des Fettstoffwechsels. Außerdem führte es zum Tod von Embryonen. Die Konzentration von Ethylhexylsalicat hat in gängigen Meeresfrüchten in Europa bereits 72 μg/kg erreicht . Wir essen es also schon kräftig mit. Der Punkt ist gekommen: Ich will es gar nicht mehr so genau wissen. Trotzdem lese ich weiter.

UV-Filter können von der Mutter zum Kind übertragen werden

Es wurde festgestellt, dass Ethylhexylsalicylate durch die Haut in den Körper gelangen und sich dort anreichern kann. Das ist erstmal nicht verwunderlich. Alles was wir uns auf die Haut geben, kann zu einem gewissen Teil auch in unseren Körper und den Blutkreislauf gelangen. Der besagte UV-Filter kann zudem von der Mutter auf ihre Nachkommen übertragen werden. Joa, klar – weil ein Blutkreislauf, auch das kann mich nicht mehr erschrecken. Was hier noch steht ist, dass Studien auch zeigen, dass dieser Stoff in kosmetischen Produkten allergische Hautreaktionen hervorrufen und Wasserorganismen schaden kann, indem er sich in der Haut von Fischen anreichert .

UV-Filter stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein

Und dann gibt es noch die Hinweise darauf, dass dieser UV-Filter, wie auch weitere UV-Filter die Funktion von Spermien beeinträchtigen. Indem diese UV-Filter wie das Hormon Progesteron, Sexualhormon mit prominenter Rolle bei Mann und Frau, wirken. Kleiner Ausflug. Für eine natürliche Befruchtung muss die Funktion der Spermien genau gesteuert werden, während sie durch den weiblichen Fortpflanzungstrakt wandern. Progesteron wird von Zellen, die die Eizelle umgeben, freigesetzt. Diese Aktivierung führt dazu, dass Kalzium in die Spermien einströmt, was deren Bewegung, die Orientierung zum Ei hin und das Eindringen in das Ei steuert. Super komplex und spannend – aber der Punkt, auf den ich hier kommen möchte, ist: Einige UV-Filter und auch bekannte endokrine Disruptoren, wie Triclosan (Desinfektionsmittel in Flüssigseifen o.ä.), das Abbauprodukt von DDT (Insektizid) und auch der UV-Filter in meinem Naturkosmetik-Sonnen-Fluid, hat auf Spermien genau diesen Effekt des Kalziumeinstroms und der Akrosomreaktion. Das ist der Prozess, bei dem durch die Ausschüttung von Enzymen am Kopf des Spermiums, dieses befähigt wird, durch die Eizelhülle einzudringen. Die Untersuchung im Labor hat gezeigt, dass Spermien, getriggert durch den UV-Filter, diese Reaktion durchlaufen. Man könnte sagen, sie denken, sie sind am Ziel, aber verschießen ihre Munition und sind fehlgesteuert. Dieser Fehlmechanismus der spontaner Akrosomreaktion steht in Verbindung mit einer verminderten männlichen Fruchtbarkeit . Auch in weiteren Quellen finde ich Hinweise, dass es sich bei dem UV-Filter in meiner Sonnencreme um einen potentiell hormonell wirksamen Sonnenschutzfilter handelt. Er wird als solcher diskutiert und untersucht. An diesem Punkt höre ich auf zu lesen. Also wieder potentiell eine Sonnencreme mit hormoneller Wirkung. Naturkosmetik hin oder her – chemische Filter sind für mich nun wirklich gestorben.

Ethylhexylsalicylat gesellt sich auf die Blacklist der UV-Filter, die ich meide. Aktuell sind darunter:

 

Aktuell funktioniert für mich nur: Zinkoxid und Titanoxid (als nicht nano). Und auch hier gilt, vor dem Baden im Fluss/Meer/See abduschen, dass möglichst wenig Eintrag in das Gewässer stattfindet und die Tierwelt nicht belastet wird.

 

Ich wehre mich potentiell hormonell wirksamen Sonnenschutz zu verwenden

Ich will nach Hause, will in die Dusche und das Sonnen-Fluid loswerden. Auch wenn ich keine Spermien habe, die es zu verwirren gibt – das war nur eines von vielen Forschungsergebnissen. Und dass ich das hier schreibe, soll verdeutlichen, wie komplex unsere Körperfunktionen sind. Ob Stoffwechsel oder Fruchtbarkeit, alles ist hormonell gesteuert. Und der Einfluss von UV-Filtern wird hier diskutiert. Nein, dadurch ist noch nichts endgültig bewiesen. Aber darauf möchte ich gar nicht warten. Mir reichen solche Verdachte völlig aus, um lieber direkt zu Alternativen zu greifen, die bereits da sind. Und diese Alternativen sind Schatten und mineralischer Sonnenschutz. Solange, bis ich es hier wieder besser weiß.

Von der Recherche bleibt vor allem eines zurück: große Enttäuschung und Wut. Von wegen nur Inhaltsstoffe, die man auch essen kann. Wobei, können vielleicht schon, wollen eher nicht…

Mein Wissen gebe ich dir auch gerne in einer 1:1. Beratung, Workshops oder bei einem Vortrag weiter.


Quellen

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2 Kommentare

  • Regina Käßmann

    Hallo Ruth, vielen Dank für deinen informativen Beitrag! Ich werde meine Sonnencreme dann gleich mal checken. Darfst du die Produkte welche du verwendest verraten? Liebe Grüße Regina

    • Dr. Ruth

      Hi Regina, ich teste immer wieder neue Sonnencremes und aktuell nutze ich diese beiden:
      – LSF 30 von Madara. Ich war skeptisch aufgrund der intensiven Werbung auf insta aber bin damit diesen Sommer sehr zufrieden. Weißelt nicht, klebt nicht, zieht schnell ein.
      – LSF 30 von ey cosmetics . Diese riecht auch so schön nach Sommer und weißelt nach längerem verreiben auch nicht mehr.
      (keine Werbung, kein Affiliate)

      Wäre ein Artikel zu Produkttests von Sonnencremes interessant?

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